Neujahrswunsch des Aristoteles

 

„Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluss scheint ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt.“1

Alle Künste und Handlungen zielen auf die ‚eudaimonia‘, was oft mit „Glückseligkeit“ übersetzt wird. Dabei meint ‚eudaimonia‘ aber viel mehr: die Wohlgeordnetheit aller Lebensbezüge, der Verhältnis des Menschen zu sich selbst und der Welt. Die ‚eudaimonia’ ist kein Zustand sondern das Handeln des Menschen richtet sich immer wieder darauf, sie zu erreichen.

Dabei wird das Endziel der ‚eudaimonia’ durch die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten des Menschen erreicht, die alle untereinander in Beziehung stehen und nach und nach das höchste Ziel erreichen. Beispielsweise dient das Handeln des Försters der Gewinnung von Holz. Dieses Holz ermöglicht es dem Instrumentenbauer seine Instrumente zu bauen, die dann die Musiker spielen. Wirken die Musiker zusammen – und dazu ist noch viel mehr notwenig – kann wunderschöne Musik entstehen. Wer hätte in einem Konzert nicht schon einmal einen Moment der Glückseligkeit erlebt?

Das Ziel des Menschen besteht in menschenwürdiger Tätigkeit. Die Dinge – das Holz, das Instrument, die Komposition – haben eine erste Vollkommenheit auf Grund ihrer Natur, jedoch tritt eine zweite und höhere Vollkommenheit auf Grund des menschlichen Handelns hinzu. Durch dieses Handeln wird alles Gute zur Entfaltung gebracht. 

Darin besteht die vollkommene und höchste Lust des Lebens. „Man kann wohl sagen, wie alles zu leben begehre, so verlange auch alles nach Lust. Das Leben ist nämlich Tätigkeit, und jeder ist in dem und durch das tätig, was er am meisten liebt.“2

Aristoteles hat seine Ethik seinem Sohn Nikomachus gewidmet. Ihm wie allen Menschen möchte er mit seiner Schrift nahebringen, wie der Mensch die ‚eudaimonia‘ erreicht. 


1 Aristoteles, Nikomachische Ethik [Übersetzung Eugen Rolfes], 1094a 1-3.

2 ebd 1175a 10-13

Bild Raffael (1483 – 1520), Die Schule von Athen (1509)


2 thoughts on “Neujahrswunsch des Aristoteles”

  1. Vielen Dank für Ihre Neujahrswünsche und immer wieder tollen Anregungen zum Nachdenken und Nachlesen.
    Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich ein glückliches neues Jahr!
    Herzliche Grüße von Barbara Beckmann aus Berlin

  2. Guten Tag Peter Radziwill,
    Ich bedanke mich herzlich für diesen bedenkenswerten Neujahrswunsch und alle weiteren lesenswerten geistigen Impulse aus Ihrer „Denkerei“, ich nehme Sie gerne als Impulse für die kommende Zeit auf,
    bleiben Sie weiterhin vergnügend und sinnlich nachdenkend,

    mit herzlichem Gruß Ursula Kramm Konowalow

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