Marion Sehmsdorf (1906 – 2000) betätigte sich schon früh als Autorin. 1918 wurde ihr erstes Theaterstück „Christbrunnen“ aufgeführt, 1922 folgten das „Weihnachtswunder“ und 1923 „Lilofe“. In Königsberg saß sie mit Hanna Ahrendt in einer Klasse und studierte nach dem Abitur Germanistik und Theologie. 1931 heiratete sie und ging dann mit ihrem Mann nach Lupembe und 1938 nach einem Heimaturlaub nach Kidugala im heutigen Tanzania. Mit Beginn des 2. Weltkriegs mussten alle Deutschen das Land verlassen. Aus der Zeit in Afrika und den Jahren danach sind eine Reihe von Berichten, Erzählungen, Büchern und Gedichten überliefert.
Vorspiel | Die Kinder der Finsternis
Gohasi geht mit ihrem Kind Kilogati am Morgen aus dem Dorf, um Gras für die Hütte zu holen. Während ihr Kind unter einem Baum schläft, kommen Sklavenjäger und entführen die Mutter.
Kilogati lebt fortan bei der Großmutter und lernt alles, was ein Benakind wissen muss. Sie lernt auch, dass die Welt voller Geister ist und wie man sich mit der richtigen Medizin vor ihnen schützen kann.
Als die Großmutter stirbt, zieht Kilogati in die Hütte ihres Vaters.
Noch sehr jung wird sie verheiratet, bekommt aber kein Kind. Der Medizinmann kann nicht helfen und erklärt, dass die Kinderlosigkeit an der Feindschaft einer Nachbarin liegt. Kilogati vergiftet sie.
Nun wird Kilogati wirklich schwanger und bekommt ein Kind, das aber bald starb stirbt. Kilogati gibt ihrem Mann, der einen Ehebruch begangen hatte, die Schuld. Wie er fängt sie an zu trinken. Ihr Mann trennt sich von ihr und sie muss wieder in die Hütte ihres Vaters ziehen. Eines Tags versucht sie, sich aufzuhängen, wird aber gerettet. Sie sagt: „Ich will nicht mehr leben … Meine Seele ist ganz schwarz geworden.“ [22]
Erstes Buch | Die Botschaft
Die Leute von Häuptling Lupembe leben in einer Welt traditioneller Ordnungen. Doch lockern sich diese Ordnungen immer mehr und immer mehr Böses geschieht. Auch Häuptling Lupembe missbraucht seine Macht. Da tritt ein Prophet auf, der Lupembe und die Leute zur Besserung aufruft, sonst würden sie keinen guten Tag mehr haben und und weiße Männer kämen und würden die gleiche Botschaft mitbringen. Aber die Menschen ändern sich nicht.
Kilogati aber machte die Prophezeiung Hoffnung. Als sie eines Tages wie ihre Mutter Gras holte, begegnet sie zwei weißen Männern, die ins Dorf kommen. Die Menschen fürchten sich, aber Lupembe kommt, um die Männer zu begrüßen. Der eine Weiße, der sich als Mwakikato1Christian Schumann. vorstellt sagt: „ Wir Weißen sind aus einem sehr fernen Lande hierhergekommen auf Geheiß unseres Gottes. Wir sind zuerst am See angekommen und haben angefangen, den Leuten, die dort wohnen, die Geschichten von unserem Gott zu sagen.“ [38]
Die Weißen bauten mit Hilfe der Dorfbewohner mehrere feste Gebäude. Lupembe unterstützte sie zunächst, weil er sich an die Prophezeiung erinnert und sich fürchtet. Bald aber lässt seine Furcht nach. Als die deutsche Regierung die Freilassung aller Sklaven fordert, bringt er drei seiner Sklaven um. Die koloniale Schutztruppe rückt an.
Mwakikato bewahrt die Menschen vor Übergriffen und gewinnt immer mehr das Vertrauen der Menschen. Schließlich wird eine große Hütte gebaut, in der er seine Botschaft verkündet. Er spricht von den bösen Taten der Menschen, die die Seele schwarz machen und von Jesus Christus, der die Schuld auf sich genommen hat, gestorben und auferstanden ist. „Er hat mich gesandt, euch zu sagen, daß ihr alle frei und gerettet seid.“ [50]
Diese Botschaft geht bald von Mund zu Mund. Mwakikato hat auch Widersacher, vor allem die Medizinmänner, aber nach und nach melden sich die ersten Taufbewerber. Es fällt ihnen nicht leicht, ihr bisheriges Leben zu ändern, nur noch eine Frau zu haben, den Verlockungen zur Maßlosigkeit und Unzucht zu widerstehen und dem Widerspruch der Familien zu begegnen.
Eines Tages ist Kilogatis Mann, der sich von ihr getrennt hatte und für lange Zeit weit weg gewesen war, wieder da. An einem Sonntag kommt er zur Verkündigung von Mwakikato, der an diesem Tag die Geschichte vom verlorenen Sohns erzählt. Kilogatis Mann erkennt sich in der Geschichte wieder und möchte auch zum Taufunterricht kommen. Bald fällt er aber in sein altes Leben zurück und verlässt seine Frau erneut, doch schließlich kehrt ihr Mann endgültig zu ihr zurück. Beide beginnen ein neues Leben. Alle wundern sich darüber, nur Mwakikato nicht: „Für Jesus Christus ist es ein leichtes, die Menschenherzen zu verwandeln.“ [78]
Kilogati bekommt einen Knaben. Am Ostersonntag wird sie auf den neuen Namen Atvendile getauft. Als ihr Kind krank wird, bedrängt sie ihre Stiefmutter, den Zauber des Medizinmannes anzunehmen. Kilogati aber betet zu Christus und ihr Kind wird gesund. Der Medizinmann aber verlässt das Dorf und stirbt bald. Nun endete auch die heimliche Verfolgung der Christen. Die Menschen, ob Christen oder nicht, sehen in Mwakikato ihren Freund und Vater. Das Land ist befriedet.
Mwakikato baut an sein Haus noch einen großen Raum an, wo die Menschen sich zum Singen, Erzählen und zu allerlei Kurzweil treffen. Er übersetzt die Lieder in die Sprache der Bena und dichte christliche Texte zu den Liedern der Heiden.
Die Gemeinde wächs immer mehr und eine neue, größere Kirche wird gebaut. Bevor die Kirche zu Weihnachten eingeweiht werden kann, musste Mwakikato in Reise zu einer anderen von ihm betreuten Gemeinde, nach Ifinga, reisen, weil es dort Probleme mit dem Lehrer gab. Zurück in Lupembe beschließen die Ältesten, dass Atvendiles Mann den Posten dort übernehmen sollte.
Der fügt sich aber dieser Anordnung nicht sondern wendet sich von der christlichen Gemeinde ab. Während Atvendile zum Weihnachtsgottesdienst geht, feiert er mit seinen heidnischen Freunden die Nacht durch und rief, als diese ihn auf sein Christsein ansprechen: „Ein Christ war ich noch nie!“ Da kräht der Hahn und Atvendiles Mann kehrt zur christlichen Gemeinde zurück.
Zweites Buch | Der Widersacher
Als Petrus einige Zeit in Ifinga ist und die Sache Gottes durch sein Wirken in der ganzen Gegend erfolgreich, hat er einen seltsamen Traum: Er begegnet dem Satan, der ihm ankündigt, er werde die Leute des Landes gegen die Weißen aufstacheln. Petrus widerspricht und fordert den Satan zu einem Spiel. Zwei Mal verliert er das Spiel, aber zuletzt greift Gott ein und der Satan verliert.
Petrus ist oft unterwegs, um den Menschen auch an abgelegenen Orten die Botschaft vom Sklavenbefreier Jesus Christus zu bringen. Eines Tags überrascht ihn im Wald die Dunkelheit, er findet jedoch in einem Dorf ein Quartier. Während er schon auf seinem Schlafplatz liegt, kommen noch weitere Besucher, die davon erzählen, dass sie einen Aufstand planen und es ein Zauberwasser gibt, das unverletzlich macht, auch gegen Gewehrkugeln. Petrus flieht mit seiner Familie und den Christen von Ifinga nach Lupembe.
Der Krieg hat begonnen und von Mwakikato werden Boten ausgeschickt, um die Häuptlinge davon abzuhalten, sich am Krieg zu beteiligen. Petrus wird zu Golosani2Paul Gröschel. geschickt. Dort erlebt er einen Angriff der Aufständischen, der abgewehrt werden kann. Danach fliehen alle nach Lupembe.
In den Jahren des Kriegs besucht Petrus in Kidugala das Seminar und lernt viel über die Bibel und die Heilkunst. Er wird Gottes Bote in der Magati. Er behandelt die Kranken und erzählt die Geschichten von Jesus Christus. Nach und nach kommen Menschen in seine kleine Taufklasse, auch wenn sie dafür von ihren Familien oft angefeindet werden. Auch in der Magati wächst so die christliche Gemeinde. Allerdings versuchen auch katholische Padri in der Region zu missionieren und halten sich nicht an die Absprachen zu den Missionsgebieten.
Mwakikato sagt: „Die Katholiken schaden so der Sache Gottes sehr. Aber es ist zu befürchten, dass in Europa der Hass zwischen den Völkern zum Krieg führt und so der Sache Gottes noch viel mehr geschadet wird.“ Er kündigt an, für einige Zeit nach Europa zu gehen.
Nach dem Krieg, am 3. Oktober 1923, schreiben die Christen in Lupembe einen Brief nach Deutschland. Sie erzählen, wie schwer es ihnen im Krieg ergangen ist und wie sehr sie sich wünschen, dass Mwakikato wieder zurückkehrt. Denn viele sind vom christlichen Glauben wieder abgewichen und Petrus, der bis zuletzt am Glauben festhielt wurde von den Zauberern vergiftet.
Drittes Buch | Die junge Kirche
In Lupembe kommen jeden Tag viele Menschen zur Andacht. Mwakikato ist nicht zurückgekehrt. Ein junger Missionar ist an seiner Stelle gekommen. Atvendile ist jetzt Kirchenälteste und muss manches Problem in der Gemeinde lösen.
Immer wieder halten sich Gemeindeglieder nicht an die christlichen Gebote. Die Weißen haben ihnen den christlichen Glauben gebracht, aber auch viele Versuchungen. Im Gemeindekirchenrat wird über die einzelnen Sünder beraten und wenn nötig Kirchenzucht verhängt.
Viele junge Leute gehen in die Stadt und lassen sich dort verführen. Auch Atvendiles Sohn wird zum Dieb und kommt ins Gefängnis. Andere begehen Ehebruch und lassen ihre Familien allein auf dem Dorf zurück.
Atvendiles anderer Sohn gibt seine gut bezahlte Arbeit auf der Kaffeeplantage auf, um Lehrer zu werden. Dafür gibt es nur einen geringen Lohn und der Missionar hat sich schon ganz verschuldet, um seine Lehrer zu bezahlen. „In Deutschland ist ein neuer Mann an die Herrschaft gekommen, der sagt: ‚Schwarze sind nicht viel wert. Unser gutes Geld ist zu schade für schwarze Leute.‘“ [175] Bald kommt gar kein Geld mehr aus Deutschland. Die Lehrer arbeiten fortan nur für Gottes Lohn.
Andere aber werden verführt. Einer arbeitet auf dem Goldfeld, wo nicht Gottes Gebot sondern das Recht des Stärkeren gilt. Das Recht des Stärkeren nutzt er um die Arbeiter zu betrügen, bis er von ihnen vergiftet wird. Auch sein Kind stirbt. Die Rute Gottes hat ihn nicht verschont.
Johani mwa Nyagava ist überaus begabter Prediger in Lupembe. Er erzählt seine Lebensgeschichte, die ihn zu strengen Christen hat werden lassen.3Anmerkung der Autorin: „Wörtliche Widergabe, vgl Berliner Missionsberichte, 1. Jahrgang 1934.“ [182 Anmerkung 1]. Mit sieben anderen wird er als „Hirte der Gemeinde“ ausgewählt. Er darf nun predigen und die Sakramente verwalten. Es sind die acht ersten Hirten im Benaland. „Gott selbst ist am Schaffen im Benaland. Gott baut seine Kirche, er baut sein Reich.“ [187]
Erwin Petzold, Ordination der ersten 8 schwarzen Geistlichen4Ordiniert wurden Johani mwa Nagava (aus Ilembula), Ludzabiko mwa Kihupi (Ilembula), Lutangila mwa Melele (Kidugala), Ananidze mwa Kyungu (Kidugala), Mutendzi mwa Kyelula (Masagati), Alatuvanga mwa Musitu (Ismalini) und Ludzabiko mwa Njato (Hanvanga-Kidegembye). im Ubenaland nach dem Krieg
Atvendiles Sohn kommt nach sechs Monaten wieder aus dem Gefängnis. Er kehrt nach Lumpembe zurück. Er geht in die Bußklasse und wird, nachdem er seinen Sünden bekannt hat, wieder in die Gemeinde aufgenommen. Schließlich geht er sogar an einen Ort, wo die Mission bisher keinen Fuß fassen konnte. Er ist erfolgreich, auch wenn eines Tages seine Hütte und die Schule abgebrannt werden. Er baut beides neu und eine Kirche dazu.
Opfersinn und Zeugenmut der Hirten, Lehrer und Ältesten machen die junge Kirche aus, aber auch die Lasten sind groß. Darum ruft der Superintendent5Heinrich Julius Oelke; siehe auch: Heinrich Julius Oelke, Als Missionar in Ostafrika. Erinnerungen aus den Jahren 1905-1959, 2014. 1936 eine Synode in Iringa zusammen. Missionare6Genannt werden neben Julius Oelke: Martin Priebusch (Ilembula), Wilhelm Neuberg (Pommern), Georg Sehmsdorf (Lupembe), August Reuer (Jakobi), Bruno Namgalies (Brandt), Karl Klaus (Kidugala) [196]., Hirten und Älteste kommen zu dem Treffen. Zuerst wird über das fehlende Geld beraten und beschlossen eine Kirchensteuer und Finanzausgleich zwischen den Gemeinden einzuführen.
Auch über andere Sorgen wird gesprochen, über die katholische Mission und den Islam, die Verlockungen der Städte und des Goldfeldes, über Zauberei, Trunksucht und Unzucht in den Gemeinden. Oft befürworten die Hirten ein stürmisches und gesetzliches Vorgehen, während die Missionare bremsen.
Am Ostermorgen gehen die Christen zu den Gräbern an der Kirche. Wo früher die Toten mit Geschrei und Geheul begraben wurden, bekennen die Christen: „‚Ich glaube an ein Leben ohne Aufhören.“ … Denn der Glanz der Ewigkeit hat ihre Dunkelheit licht gemacht und ihr Gefängnis zerbrochen.“ [203.204]
Atwendile ist alt geworden. In der Gewissheit eines „Lebens ohne Aufhören“ stirbt sie.
Einige Wochen später ist wieder Krieg. Die Hirten Johani und Ananidze müssen die Verantwortung für die junge Kirche übernehmen. Als sie auf einer Reise einen reißenden Fluss überqueren müssen, finden sie mitten im Fluss eine Insel, die das Überqueren möglich macht.
„‚Sieh‘, sagt Johani, ‚sieh das Gleichnis! Die Zeiten, in denen wir leben, sind wie ein reißendes Wasser, wie eine wilde Flut …‘ ‚Wahrlich, so ist es‘, sagt Ananidze. ‚Aber die Gemeinde Gottes hat einen festen Grund, sie ist wie die Insel im Strom – uns so wird es bleiben, bis an das Ende der Zeit.“ [207]
1 Christian Schumann.
2 Paul Gröschel.
3 Anmerkung der Autorin: „Wörtliche Widergabe, vgl Berliner Missionsberichte, 1. Jahrgang 1934.“ [182 Anmerkung 1].
4 Ordiniert wurden Johani mwa Nagava (aus Ilembula), Ludzabiko mwa Kihupi (Ilembula), Lutangila mwa Melele (Kidugala), Ananidze mwa Kyungu (Kidugala), Mutendzi mwa Kyelula (Masagati), Alatuvanga mwa Musitu (Ismalini) und Ludzabiko mwa Njato (Hanvanga-Kidegembye).
5 Heinrich Julius Oelke; siehe auch: Heinrich Julius Oelke, Als Missionar in Ostafrika. Erinnerungen aus den Jahren 1905-1959, 2014.
6 Genannt werden neben Julius Oelke: Martin Priebusch (Ilembula), Wilhelm Neuberg (Pommern), Georg Sehmsdorf (Lupembe), August Reuer (Jakobi), Bruno Namgalies (Brandt), Karl Klaus (Kidugala) [196].
selbst lesen: Marion Sehmsdorf, Insel im Strom. Eine afrikanische Geschichte, 1955 [als pdf auch hier].