Bild rechts: Philipp Rupprecht alias Fips (1900 – 1975)1Philipp Rupprecht alias Fips (1900 – 1975), in: Der Stürmer, März 1937, 1.
Will Eisner (1917 – 2005) war Comiczeichner, Autor und Pionier der grafischen Erzählkunst. Geboren in Brooklyn als Sohn jüdisch-österreichischer Einwanderer, prägte er mit Werken wie „The Spirit“ und „Ein Vertrag mit Gott“ maßgeblich die Entwicklung der Graphic Novel. Er war einer der ersten, der Comics als ernstzunehmende literarische Form verstand und etablierte. Eisner unterrichtete an der School of Visual Arts in New York und veröffentlichte zahlreiche Fachbücher über das Erzählen mit Bildern.
In seinem letzten Werk „Das Komplott“ beleuchtet Eisner die Entstehung und Rezeption der „Protokolle der Weisen von Zion“.
Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sind eine Lüge – aber eine sehr erfolgreiche. Das gefälschte Dokument hat eine absurde Wirkungsmacht entfaltet. Bis heute wird es weltweit verbreitet und bis heute hat es enormen Einfluss.
Im Russland des späten 19. Jahrhunderts will die zaristische Geheimpolizei Ochrana von sozialen Unruhen ablenken und sucht einen Sündenbock. Der Agent Matwei Golowinski verfasst die „Protokolle“ als Fälschung, die auf dem Werk „Dialog in der Hölle zwischen Machiavelli und Montesquieu“ (1864) von Maurice Joly basiert. Joly hatte darin eine politische Satire auf Napoleon III. geschrieben. Golowinski ersetzt einfach Napoleon durch eine jüdische Weltverschwörung.
Nach ihrer Erstellung werden die „Protokolle“ in Russland verbreitet, besonders in Zeiten von politischen Krisen. Nach der Oktoberrevolution nehmen russische Emigranten das Dokument mit nach Westeuropa, wo es unter Antisemiten rasch Fuß fasst.
Der US-amerikanische Autobauer Henry Ford spielt eine zentrale Rolle in der internationalen Verbreitung. Er veröffentlicht die Protokolle ab 1920 in seiner Zeitung „The Dearborn Independent“ unter dem Titel „The International Jew“, eine Reihe, die millionenfach verbreitet wird. Seine Unterstützung verschafft dem Text globale Reichweite.
Mehrere Journalisten, Historiker und sogar Gerichte beweisen im Laufe der Zeit, dass die „Protokolle“ gefälscht sind. Besonders Philip Graves von der Times of London deckt 1921 durch Textvergleiche die Plagiate aus Jolys Buch auf. Trotzdem glauben viele weiterhin an die Echtheit.
Adolf Hitler übernimmt die Protokolle als Beleg für die angebliche jüdische Weltverschwörung und zitiert sie in „Mein Kampf“. Die NS-Propaganda stützt sich massiv auf dieses Werk, um antisemitische Maßnahmen und schließlich den Holocaust zu legitimieren.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg tauchen die „Protokolle“ immer wieder auf, in der arabischen Welt, im Iran, bei Neonazis und Verschwörungstheoretikern weltweit. Es gibt Zeitungsartikel, Fernsehbilder und Internetseiten, die noch heute diese Fälschung als Wahrheit verbreiten.
Fakten und Enthüllungen reichen nicht aus, wenn Menschen bereit sind, eine Lüge zu glauben, weil sie ihnen ins Weltbild passt. Die Protokolle sind ein Beispiel für die zerstörerische Macht von Propaganda.
„Entschuldigen Sie … Sie haben da ein Exemplar der ‚Protokolle von Zion‘!“2Will Eisner, Das Komplott. Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen aus Zion, 2022, 131.132.
selbst lesen: Will Eisner, Das Komplott. Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen aus Zion, 2022