Flucht im Schlauchboot

Herbert James Draper (1863 – 1920), The water nymph (1908).

Die Nixe Rusalka verliebt sich unsterblich in einen menschlichen Prinzen. So bittet sie die Hexe Ježibaba, sie in einen Menschen zu verwandeln, damit sie mit dem Prinzen zusammen sein kann. Allerdings hat die Sache einen Haken: Rusalka muss der Hexe ihre Stimme überlassen und ist fortan stumm und, wenn sich Rusalka und der Prinz entlieben sollten, wäre sie verdammt. Aber die Nixe schrecken diese Bedingungen nicht und sie wird zum Menschen.

Rusalkas Hoffnungen erfüllen sich. Die beiden treffen sich und auch der Prinz verliebt sich in die unbekannte, stumme Schöne, nimmt sie mit auf sein Schloss und bereitet die Hochzeit vor. 

Doch dass Rusalka nicht redet, auf all die Fragen des Prinzen nicht antwortet, macht die Sache kompliziert. Zudem lehnt die Hochzeitsgesellschaft die Fremde ab. Noch komplizierter wird es, als noch eine andere Frau auftaucht, die sich in die Beziehung drängt und schließlich den Prinzen dazu bringt, sich von Rusalka abzuwenden.

Damit tritt nun der zweite Teil des Deals mit der Hexe in Kraft. Rusalka wird verdammt. Aber die Hexe macht noch ein Angebot. Würde Rusalka den Prinzen töten, wäre sie erlöst. Sie aber lehnt entrüstet ab und wählt ihr Schicksal, zwischen den Welten zu irrlichtern.

Inzwischen bereut der Prinz, sich von Rusalka abgewendet zu haben und sucht sie. Als die beiden sich treffen, warnt sie ihn, dass er nun in ihren Armen den Tod finden würde. Er ist aber so voller Sehnsucht, dass er sie küsst … und stirbt.

Bei „Dorf macht Oper“ wurde in diesem Jahr diese tragische Geschichte auf die Bühne gebracht. Stand bei der Auswahl des Stücks die gegenwärtige gesellschaftliche Situation in unserem Land und in unserer Welt Pate?

Rusalka ist weder ganz Nixe noch ganz Mensch. Es gelingt ihr nicht, beide Welten zu verbinden, unterschiedliche Sichten miteinander ins Gespräch zu bringen. Der Prinz begehrt die geheimnisvolle, fremde Schöne. Die Gesellschaft jedoch reagiert mit Angst und Ablehnung auf das, was fremd ist. Rusalka verliert ihre Stimme und wird nicht verstanden. Manche wenden sich daher schnell „einfachen Lösungen“ zu. In der Oper wird der Konflikt zwischen der wilden, naturverbundenen Welt der Rusalka und der rationalen, von Macht und Status geprägten Menschenwelt deutlich.

So spiegeln sich die Debatten um Klimawandel, Lebensstile, Technologiekritik und Naturentfremdung. Die Liebe reicht nicht, wenn Welten unversöhnt bleiben. Obwohl Rusalka und der Prinz einander lieben, zerstört die Unfähigkeit zur Verständigung ihre Beziehung. Die Kluft zwischen den Welten bleibt bestehen. Liebe oder guter Wille allein reichen nicht ohne echte Bemühung um Verständnis, Veränderung und Gerechtigkeit enden Versöhnungsversuche tragisch. 

Die Interpretation der Klein Leppiner Rusalka bleibt dem Publikum überlassen. Musikalisch war es auch in 20. Jahr von „Dorf macht Oper“ großes Theater auf kleiner Bühne. 

Hinweise auf die Botschaft gaben am ehesten noch die Kostüme und das Bühnenbild: Wenn die Hexe erst in harmloser Freizeitkleidung daherkommt und am Ende in militärischer Kluft steckt. Wenn Rusalka zur geplanten Hochzeit im aufwändigen, weit ausladenden Hochzeitskleid erscheint und sich dann in der oft unschönen realen Welt ganz schlicht gekleidet wiederfindet. Wenn der Hochzeitssaal mit seinen geschmückten Tischen zerstört wird und die Hochzeitsgesellschaft schließlich im Schlauchboot flieht …

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