Hauptsache, es knallt

„Ich will mich jetzt nichtig Nachhinein als Held aufspielen, aber eins muss ich sagen: Ich war immerhin der Letzte, der die Hoffnung aufgegeben hat.“ [7]

Die anderen fummelten sinnlos an der zertrümmerten Musikanlage herum oder hatten sich irgendwohin verkrümelt. Ich aber versuchte zu retten, was zu retten war: In einem Nebenzimmer zerrte ich mit Jil einen Teppich auf den Billardtisch. Wir tropften alle verfügbaren Kerzen darauf fest und zauberten so ganz schnell eine romantische Tafel herbei. Jetzt fehlte nur noch das Hochzeitspaar. Wo waren nur Markus und Janina?

Kaum hatte ich das gedacht, kam auch schon die Braut … und dann auch der Bräutigam, allerdings zerknittert und ohne Hose und stammelte nur einen einzigen Satz: „Ich glaube, ich habe gerade mit einer anderen Frau geschlafen.“ [10]

Nach diesem Satz gab ich auch die Hoffnung auf.

Dabei hatten wir, die Freunde von Janina und Markus, alles so toll geplant. Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Im Standesamt und in der Kirche war alles wohl vorbereitet. Das Schloss für die Feier gemietet. Sogar eine Versicherung gegen schlechtes Wetter gab es.

Aber was nutzt alle Planung, wenn der Standesbeamte mitten in der Zeremonie einen Lachanfall bekommt und der Pfarrer den Brauvater beschimpft, weil der ihn bei einem Geschäft über den Tisch gezogen hat? Wie kann eine Feier gelingen, wenn manche Gäste sich spinnefeind sind oder zu peinlichen Spielen neigen? Wie soll es der schönste Tag werden, wenn erst das Hochzeitsauto von den russischen Gästen entführt wird und dann mit einem Kofferraum von Wodka zurückkehrt? Was konnten wir schon ausrichten, wenn sich die Schlossverwalterin als fieser Hausdrache aufspielt?

Dabei waren wir doch auf alles vorbereitet. Aber es hat alles nichts genützt. Zuletzt blieb nur noch die Flucht. Janina, Markus, ihre Freunde und ich entkommen schließlich irgendwie in irgendeinen Wald. Im Matsch bleiben die Autos stecken. Das beim Schloss geplante Feuerwerk steigt nun zwischen den Bäumen in den Himmel. Die Russen stimmen mit goldenen Kehlen ein himmlisches Lied an. Markus und Janina stehen da und küssen sich weltverloren und es macht gar nichts, dass sie schließlich auch noch in den Schlamm fallen.

… und Jil küsst mich und ich „schwebe, getragen von den Schmetterlingen in meinem Bauch, zwischen merkwürdig geformten Wolken und habe nicht die geringste Ahnung, wo der Boden auf einmal geblieben ist.“ [331]

Drei Jahre später halte ich die Einladung zur Hochzeit von Jil und Tim in den Händen. Damals war ich ein wenig in Jil verliebt, außerdem ist da jetzt auch Anne. Aber nun kommt es erst einmal darauf an, dass die Hochzeit von Tim und Jil zum schönsten Tag für sie wird …


selbst lesen
Mattias Sachau, Hauptsache, es knallt. Roman, 2013. 


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