Es ist immer so schön mit dir

„Julia kommt ins Schlafzimmer und legt sich zu ihm.“ [9] Zufrieden ist sie mit dem Wochenende, wärmt ihre kalten Füße bei ihm und schläft ein. „Sie mag die Banalität des Alltags, das dünne Bächlein von Ereignissen, die ruhig über sie hinwegplätschern. Angenehm gleichförmig alles, geordnet wie in einem Schuhregal. Das hysterische, fiebrige Glück junger Menschen hat sie gegen das friedliche, stille Glück für Erwachsene eingetauscht. Den Wunsch, eine neue Erfahrung zu machen oder ein neues Gefühl zu entdecken, hat sie verschwinden lassen“ [16].

Er ist nicht wie Julia und er hat es schwer damit. Ihm ist diese Gleichförmigkeit der Vorbote des Todes. Er ist leidenschaftlich unglücklich. Er steht auf, genehmigt sich einen Brandy, schenkt sich noch einmal ein und noch ein paar Mal, schwankt ins Bad und schaut in den Spiegel: „Ein aufrecht stehender Sack voller Eingeweide. Qualliges, lilienweißes Fleisch. Was ist lappiger, die Haut oder das Fleisch? … Was er da sieht, hat nun gar keinen Marktwert mehr.“ [23]

Am nächsten Morgen schleppt er sich zu seinem Arbeitsplatz, in sein Ein-Mann-Studio. Hier bearbeitet er vom Hörbuch bis zum Hörspiel alles, was mit Sprache zu tun hat, eliminiert Störgeräusche und Fehler und fügt passende Sounds und Atmosphären hinzu. Es kann das gut und doch ist die Arbeit für ihn eine Qual. Das Telefon erlöst ihn. Seine Freund Frieder lädt ihn zu einer Party ein.

Er hat keine Lust, geht aber hin. Er kennt niemanden, steht nur da, schaut sich um. „Sein Blick bleibt an einer Frau hängen. Ein echter Hingucker. Sein Mund wird trocken, eine Ader am Hals beginnt wie wild zu pochen.“ [36] Am Buffet trifft er sie wieder. Sie landen an der Bar. „‚Vanessa.‘ Ihr Stimme ist samtig und etwas rauh, eine tolle Stimme.“ [39] Schauspielerin will sie sein, aber es hat noch nicht so recht geklappt mit der Karriere. Schnell ist sie wieder weg, aber ihre Telefonnummer lässt sie zurück.

Am nächsten Tag schickt er ihr eine Nachricht. Zwei Tage später gehen sie spazieren. Ein Gespräch kommt erst nach ein paar Glas Wein in Gang, Vanessa redet ohne Pause … und verabschiedet sich dann unvermittelt. Immer wieder lässt sie ihn warten. Er trinkt während er wartet und auch sonst, trennt sich schließlich von Julia. Jetzt wird es ernst für ihn.

Wieder Spaziergehen mit Vanessa. Zum Essen kann er sie nicht einladen, sie isst nichts. Dafür landen sie wieder in der Bar. Sie lädt ihn zu sich ein … und verabschiedet sich an der Haustür. Er sehnt sich nach den Treffen mit ihr und ist froh, wenn sie hinter sich hat. „Dann, als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, schlafen sie zum ersten Mal miteinander.“ [96] 

Es ist ein Durchbruch, sie reden miteinander. Vanessa weiß, dass er Musiker war und möchte ihn wieder dazu bringen, Musik zu machen. Er weiß, dass es ab einem bestimmten Alter weder etwas mit einer Schauspiel- noch mit einer Musikerkarriere wird. Sie erzählen sich aus ihrem früheren Leben, von seinen Angststörungen, dass sie als Jugendliche missbraucht wurde, von ihrer Essstörung, ihrer psychisch kranken Mutter.

Dann wieder tagelang Pause. Vanessa hält Verabredungen nicht ein, meldet sich nicht. Mal ist sie wieder da und mal wieder lange nicht. Hat es noch Sinn mit ihr? Dann meldet sich Julia, sind landen im Bett, Vanessa kommt dahinter. Sie ist ist nicht sauer, sondern sie verloben sich. „‚Es ist immer so schön mit dir’, sagt sie“ [215] und bald darauf ist es nicht mehr schön. Sie will ihn ihre Wohnung … und verschwindet. Es ist aus.

Es geht ihm gut. Er geht in ins Club. Er geht mit irgendeiner Partymaus ins Bett. „Die Menschheit besteht aus zwei Arten von Leuten: diejenigen, die ausgehen, feiern, trinken, Drogen nehmen, Sex haben, und diejenigen, die es sich daheim gemütlich machen“ [267]. Er gehört zu der ersten Art. Es geht ihm gut.

Da meldet sich Vanessa: „Komme bald zurück.“ Geht alles wieder von vorne los? Die Frage bleibt offen, im Frühling, im Sommer, dann kommt der Herbst. „Sie trudeln dem Ende entgegen.“ [277] Im November ist es vorbei. 


selber lesen: Heinz Strunk, Es ist immer so schön mit dir. Roman, 2021.

Bilder m-art production | www.pexels.com bearbeitet


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.