ehemaliges Übungsgelände der Sowjetarmee in Perleberg
Ein Kiefernwald, undurchdringliches Gestrüpp … und dann liegt da ein Toter … und wieder Wald, ein wenig gelichtet, ein Einschussloch in einem blauen Wollpullover, wieder Wald, ein Bauchschuss, noch einmal Wald und dann ein mit Zahlen und Messlatte markierter Tatort. Fotografien von heute und Bilder aus Stasi-Unterlagen. Dann Fotos von Truppenübungsplätzen, auf denen schon lange niemand mehr übt, Soldaten, der sowjetischen Armee und der Nationalen Volksarmee der DDR, Gelände, Panzer, taktische Zeichnungen, Luftbilder, zuletzt noch Hinterlassenschaften, bröckelnde Farbe, leere Patronenhülsen, ein Kochgeschirr und eine Gasmaske.
Dazwischen eine Liste „Besonderer Vorkommnisse“, Fahnenfluchten, Unfälle, Suizide, Tötungsdelikte …
Die Zeit wird spürbar, die auf der Geschichte liegt, die Zeit, die bis heute fortwirkt, und die Erinnerung, die bleibt. „Eingeschlossensein und Ausgeschlossensein – beides war für die DDR-Gesellschaft konstitutiv … Besonders deutlich wird das Ausmaß anhand der militärischen und geheimdienstlichen Sperrzonen in der DDR. Eine Studie … ergab, dass die Sperrgebiete, die allein die Nationale Volksarmee, die Grenztruppen, die Staatssicherheit und die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte im Land zu verantworten hatte, am Ende mindestens 13 300 Quadratkilometer umfasste … Das waren rund zwölf Prozent des gesamten Staatsterritoriums“ [97].
Nach dem Ende der DDR wurden die meisten Sperrgebiete aufgelöst. Es blieb Landschaft, die durch Munitionsreste und chemische Stoffe großflächig kontaminiert ist. Hunderte Hektar bodenverseuchtes Land, das zum Naturschutzgebiet geworden ist, weil kein Mensch gefahrenfrei dieses Land betreten kann.
„Dieses Land lässt sich nicht kontrollieren, nicht überwachen. Es widersetzt sich der Neuordnung, der Umfunktionalisierung. Es widerspricht der Eroberung sämtlicher Räume, es widerspricht auch dem Verwaltung von Geschichte. Im Gegenteil, es ruft uns auf diffuse Weise ins Gedächtnis, dass sie, die Geschichte, sich nicht einfangen lässt.“ [86]
Transparent beim Abzug der russischen Soldaten aus Perleberg im März 1992
selbst besehen und lesen: Anne Heinlein, Geheimes Land, 2022; darin: Julia Schoch, Ins Dickicht der Erinnerung, 81-86; Peter Ulrich Weiß, Versperrte Räume, verborgenes Land, 97-102.