Im Namen der Demokratie: Dafür lasst uns streiten!

Von 1937 bis 1939 schreibt Charlie Chaplin (1889 – 1977) das Drehbuch zu „The Great Dictator“. 

In diesen Jahren werden in Deutschland „volks- und staatsfeindliche Personen“ systematisch verfolgt, die jüdische Bevölkerung immer stärker ausgegrenzt und die Kriegsvorbereitung zunehmend sichtbarer vorangetrieben. Die deutsche Wehrmacht marschiert erst in Österreich und dann im tschechoslowakischen Sudetengebiet und schließlich in der „Rest-Tschechei“ ein. Die „Appeasementpolitik“ ist gescheitert. 

Kurz nachdem der Zweite Weltkrieg beginnt, beginnen die Dreharbeiten von „The Great Dictator“. Am 15. Oktober 1940 ist in New York die Premiere.

Der große Diktator war Chaplins erster Tonfilm. Chaplin spielt darin sowohl einen kleinen jüdischen Friseur, der im Ghetto lebt, als auch Hynkel, den Diktator von Tomainia. Chaplin sagt später: „Man muss kein Jude sein, um Anti-Nazi zu sein. Alles, was man sein muss, ist ein normaler, anständiger Mensch.“ 

Am Ende des Film werden der Friseur und der Diktator verwechselt und der Friseur hält an Stelle von Hynkel eine im Rundfunk übertragene Rede. Diese Rede entwarf Chaplin über Monate hinweg immer wieder neu. Sie wird zu einem Ruf nach Frieden, der 83 Jahre später genauso aktuell ist wie heute.


I’m sorry, but I don’t want to be an emperor. That’s not my business. I don’t want to rule or conquer anyone. I should like to help everyone – if possible – Jew, Gentile – black man – white. We all want to help one another. Human beings are like that. We want to live by each other’s happiness – not by each other’s misery. We don’t want to hate and despise one another. In this world there is room for everyone. And the good earth is rich and can provide for everyone. The way of life can be free and beautiful, but we have lost the way.

Greed has poisoned men’s souls, has barricaded the world with hate, has goose-stepped us into misery and bloodshed. We have developed speed, but we have shut ourselves in. Machinery that gives abundance has left us in want. Our knowledge has made us cynical. Our cleverness, hard and unkind. We think too much and feel too little. More than machinery we need humanity. More than cleverness we need kindness and gentleness. Without these qualities, life will be violent and all will be lost.

The aeroplane and the radio have brought us closer together. The very nature of these inventions cries out for the goodness in men – cries out for universal brotherhood – for the unity of us all. Even now my voice is reaching millions throughout the world – millions of despairing men, women, and little children – victims of a system that makes men torture and imprison innocent people.

To those who can hear me, I say – do not despair. The misery that is now upon us is but the passing of greed – the bitterness of men who fear the way of human progress. The hate of men will pass, and dictators die, and the power they took from the people will return to the people. And so long as men die, liberty will never perish.

Soldiers! don’t give yourselves to brutes – men who despise you – enslave you – who regiment your lives – tell you what to do – what to think and what to feel! Who drill you – diet you – treat you like cattle, use you as cannon fodder. Don’t give yourselves to these unnatural men – machine men with machine minds and machine hearts! You are not machines! You are not cattle! You are men! You have the love of humanity in your hearts! You don’t hate! Only the unloved hate – the unloved and the unnatural! Soldiers! Don’t fight for slavery! Fight for liberty!

In the 17th Chapter of St Luke it is written: the Kingdom of God is within man – not one man nor a group of men, but in all men! In you! You, the people have the power – the power to create machines. The power to create happiness! You, the people, have the power to make this life free and beautiful, to make this life a wonderful adventure.

Then – in the name of democracy – let us use that power – let us all unite. Let us fight for a new world – a decent world that will give men a chance to work – that will give youth a future and old age a security. By the promise of these things, brutes have risen to power. But they lie! They do not fulfil that promise. They never will!

Dictators free themselves but they enslave the people! Now let us fight to fulfil that promise! Let us fight to free the world – to do away with national barriers – to do away with greed, with hate and intolerance. Let us fight for a world of reason, a world where science and progress will lead to all men’s happiness. Soldiers! in the name of democracy, let us all unite!

Es tut mir leid, aber ich möchte nun mal kein Herrscher der Welt sein, denn das liegt mir nicht. Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen, wo immer ich kann. Den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen. Jeder Mensch sollte dem anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt. Wir sollten am Glück des andern teilhaben und nicht einander verabscheuen. Hass und Verachtung bringen uns niemals näher. Auf dieser Welt ist Patz genug für jeden, und Mutter Erde ist reich genug, um jeden von uns satt zu machen. Das Leben kann ja so erfreulich und wunderbar sein. Wir müssen es nur wieder zu leben lernen.

Die Habgier hat das Gute im Menschen verschüttet und Missgunst hat die Seelen vergiftet und uns im Paradeschritt zu Verderb und Blutschuld geführt. Wir haben die Geschwindigkeit entwickelt, aber innerlich sind wir stehen geblieben. Wir lassen Maschinen für uns arbeiten und sie denken auch für uns. Die Klugheit hat uns hochmütig werden lassen, und unser Wissen kalt und hart. Wir sprechen zu viel und fühlen zu wenig. Aber zuerst kommt die Menschlichkeit und dann erst die Maschinen. Vor Klugheit und Wissen kommt Toleranz und Güte. Ohne Menschlichkeit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert.

Aeroplane und Radio haben uns einander näher gebracht. Diese Erfindungen haben eine Brücke geschlagen, von Mensch zu Mensch. Die erfordern eine allumfassende Brüderlichkeit, damit wir alle eins werden. Millionen Menschen auf der Welt können im Augenblick meine Stimme hören. Millionen verzweifelter Menschen, Opfer eines Systems, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Unschuldige zu quälen, und in Ketten zu legen.

Allen denen, die mich jetzt hören, rufe ich zu: Ihr dürft nicht verzagen! Auch das bittere Leid, das über uns gekommen ist, ist vergänglich. Die Männer, die heute die Menschlichkeit mit Füßen treten, werden nicht immer da sein. Ihre Grausamkeit stirbt mit ihnen, und auch ihr Hass. Die Freiheit, die sie den Menschen genommen haben, wird ihnen dann zurückgegeben werden. Auch wenn es Blut und Tränen kostet, für die Freiheit ist kein Opfer zu groß.

Soldaten vertraut euch nicht Barbaren an, Unmenschen, die euch verachten, und denen euer Leben nichts wert ist, ihr seid für sie nur Sklaven. Ihr habt das zu tun, das zu glauben, das zu fühlen. Ihr werdet gedrillt, gefüttert, wie Vieh behandelt, und seid nichts weiter als Kanonenfutter. Ihr seid viel zu schade für diese verehrten Subjekte. Diese Maschinenmenschen, mit Maschinenköpfen, und Maschinenherzen.Ihr seid keine Roboter, ihr seid keine Tiere, ihr seid Menschen! Bewahrt euch die Menschlichkeit in euren Herzen und hasst nicht, nur wer nicht geliebt wird, hasst, nur wer nicht geliebt wird. Soldaten kämpft nicht für die Sklaverei, kämpft für die Freiheit. 

Im 17. Kapitel des Evangelisten Lukas steht: „Gott wohnt in jedem Menschen.“ Also nicht nur in einem oder in einer Gruppe von Menschen. Vergesst nie, Gott liegt in euch allen, und ihr als Volk habt allein die Macht. Die Macht Kanonen zu fabrizieren, aber auch die Macht Glück zu spenden. Ihr als Volk habt es in der Hand, dieses Leben einmalig kostbar zu machen, es mit wunderbarem Freiheitsgeist zu durchdringen.

Daher im Namen der Demokratie: Lasst und diese Macht nutzen! Lasst uns zusammen stehen! Lasst uns kämpfen für eine neue Welt, für eine anständige Welt! Die jedermann gleiche Chancen gibt, die der Jugend eine Zukunft und den Alten Sicherheit gewährt. Versprochen haben die Unterdrücker das auch, deshalb konnten sie die Macht ergreifen. Das war Lüge, wie überhaupt alles, was sie euch versprachen, diese Verbrecher.

Diktatoren wollen die Freiheit nur für sich, das Volk soll versklavt bleiben. Lasst uns diese Ketten sprengen! Lasst uns kämpfen für eine bessere Welt! Lasst uns kämpfen für die Freiheit in der Welt, das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Nieder mit der Unterdrückung, dem Hass und der Intoleranz! Lasst uns kämpfen für eine Welt der Sauberkeit. In der die Vernunft siegt, in der uns Fortschritt und Wissenschaft allen zum Segen reichen. Kameraden, im Namen der Demokratie: Dafür lasst uns streiten!

2 thoughts on “Im Namen der Demokratie: Dafür lasst uns streiten!”

  1. Eine interessante Reaktion, die mich auf anderem Weg erreicht hat, möchte ich hier wiedergeben:

    „Weniger Hass und mehr Toleranz für diese Welt wünschen wir uns natürlich alle. Mich aber hat diese Rede im Großen Diktator immer etwas beklommen gemacht. Er fängt so sanft und leise an, wird dann immer lauter und aggressiver und steigert sich schließlich ins Fanatische. Fanatismus mit Fanatismus zu bekämpfen, kann jedoch nicht gut enden. Es sind ja gerade die Zwischentöne, die uns so sehr fehlen, vor allem im Nahen Osten.“

    1. Ich denke, die Form der Rede und des Films insgesamt soll auch ein Stück beklommen machen. Chaplin überhöht seine Botschaft satirisch. Er würde den Schrecken des Nazi-Regimes verharmlosen, ist auch eine Kritik an seinem Film. In der Schlussrede spitzt er umgekehrt seine Botschaft ins Fanatische zu. Diese Stilmittel sind uns heute fremd. In meiner Neujahrsbotschaft habe ich auch mehr die Worte der Rede im Blick gehabt: „Let us fight to free the world – to do away with national barriers – to do away with greed, with hate and intolerance.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.