Kirchen verschenken Kunstschätze

„Fast alle Zeugnisse mittelalterlicher Kunst in der Prignitz, die bis heute erhalten blieben, stammen aus Kirchen“1, etliche befinden sich jedoch nicht mehr in den Kirchen. Wo sind sie geblieben?

Als nach 1865 die Verwaltung der Stadt Berlin in das neu gebaute Rathaus zog, wurde in den bisherigen Amtstuben und deren Archiven Inventur gemacht. Viele Dinge wurden entsorgt, was aber besonders alt oder wertvoll aussah, wurde mit ins neue Rathaus genommen. Dort entstand extra eine Abteilung „Sammlungen“. Deren Leiter Ernst Friedel gründete 1874 das „Märkische Provinzialmuseum“, das viele Jahre lang provisorisch an unterschiedlichen Orten sein Dasein fristete.

Aber wenn es schon kein ordentliches Museum gab, gab es wenigstens eine ordentliche Museumsordnung: Am Montag und Donnerstag war das Museum für zwei Stunden für „reinlich gekleidete Personen“ geöffnet, für Fremde und Studierende nach Anmeldung auch an anderen Werktagen. 

aus: Communal-Blatt der Haupt- und Residenz-Stadt Berlin, 1876, 26.

Allerdings fehlte es dem Museum nicht nur an einem geeigneten Ort sondern auch an Ausstellungsobjekten. So startete man gleich nach der Gründung des Museums einen Aufruf, kulturgeschichtlich interessante Exponate zu spenden. Auch das Königliche Konsistorium veröffentlichte einen Aufruf in seinem Amtsblatt.2

So kamen schließlich viele Kunstobjekte aus den Kirchen nach Berlin. Auch die Prignitz zeigte eine hohe Bereitschaft sakrale Kunst nach Berlin zu schaffen.3 Alt Krüssow und Wittstock waren dabei besonders spendabel. Der 1877 aus Alt Krüssow abgegebene „Rock der heiligen Anna“ ist inzwischen verschollen, fünf Figuren und ein Weihrauchgefäß sind aber noch vorhanden.4 In Wittstock lagerten ein Sakramentshaus und sechs Skulpturen unbeachtet in der Bibliothek. Während das Sakramentshaus später zurück gegeben wurde, sind die Skulpturen bis heute in Berlin.5

Meistens wurden die Kunstobjekte einfach verschenkt. Vor Ort konnten man mit dem alten Zeug nichts mehr anfangen. Oft waren die Altäre, Skulpturen, Textilien oder liturgische Geräte nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz und fristeten ihr Dasein auf einem Dachboden oder einer Ecke der Kirche. So wird in einem Brief aus dem Jahr 1863, über ein Retabel berichtet: „Der Gekreuzigte sei nicht mehr am Kreuz befestigt, sondern liege in einem Kasten, der jetzt seinen Platz in einer Turmecke habe, von Staub und Spinnenweben überzogen.“6

Jedenfalls wurde die von Staub und Spinnweben befreite sakrale Kunst auch aus vielen Kirchen befreit und kam ins Museum, nach Berlin, nach Havelberg, nach Perleberg und an andere Orte. Für viele Kunstobjekte war es vielleicht die Rettung, für die Kirchen aber meist ein Verlust.

In Berlin war 34 Jahre nach Gründung des Märkischen Provinzialmuseums endlich auch das Museumsgebäude fertiggestellt. Auch bei der Architektur hatte man von der der Prignitz profitiert: Der markante Turm des Märkischen Museums ist dem Turm ist der Bischofsburg in Wittstock nachgebildet.


1 Peter Knüvener, Mittelalterliche Kunstwerke in der Prignitz, in: Wolf-Meyer Rath, Die Kirche und Kapellen in der Prignitz. Wege in eine brandenburgische Kulturlandschaft, 2016, 24-27, 24.

2 Amtliche Mitteilungen des Königlichen Konsistoriums der Provinz Brandenburg, 1875, 41.

3 Heute sind dort Objekte aus Alt Krüssow, Burghagen, Dahlhausen, Freyenstein, Görike, Groß Lüben, Kyritz, Langow, Perleberg, Schmolde, Schönhagen und Wittstock.

4 Gordon Thalmann, Entdeckung in der Krüssower Wallfahrtskirche, in: Alte Kirchen. Mitteilungen des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg, Mai 2019, 13; Franziska Nentwig (Ed), Mittelalterliche Kunst: aus Berlin und Brandenburg im Stadtmuseum Berlin, 2011, 247-254.356.

5 Franziska Nentwig, aaO, 128; siehe auch ebd, 128-131.138.184-186.242-244.295.296.

6 Peter Knüvener, Einführung, in: Franziska Nentwig, aaO, 9-29, 9, zitiert nach: Sonja Wüsten, Schnitzaltäre in märkischen Kirchen. Unveröffentliche Notizen Theodor Fontanes, in Fontaneblätter, 1971, 308-327, 312.


Bild Madonna aus der Wittstocker Marienkirche (ca 1515), heute im Stadtmuseum Berlin.


 

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