„‚Und ich sage dir, Jochen, die Zeiten sind vorüber, wo man die Menschen mit dem Himmel locken und mit der Hölle schrecken konnte. Die Pfaffen haben abgewirtschaftet. Für sie ist im modernen Staat kein Platz mehr.‘ Der Bauer Hans Karg rief es mit drohender Stimme und ließ dazu bekräftigend die Faust auf den Tisch sausen.
Sein Gegenüber, der Bauer Joachim Reichow, sah ihn mit hellen Augen an. ‚Was du da vom modernen Staat sagst, verstehe ich nicht. Aber das eine glaube mir, der Mensch braucht für sich selbst Religion. Sonst verkümmert er, und zuletzt verwildert er.‘“ [2]
Karg war aus dem großen Krieg zurückgekehrt. Mit Jubel hatte er die Revolution mitgemacht und jetzt wollte er die Menschen in seinem Dorf befreien. Einen Gott und eine Pastor brauchte man nicht mehr. Im Gemeinderat setzte er durch, dass die Pfarrstelle nicht mehr besetzt wird.
Dass es am Sonntag keinen Gottesdienst gab, war gewöhnungsbedürftig. Aber der Besitzers des Kruges freute sich, dort war nun mehr Betrieb.
Aber nach und nach zog Zank im Dorf ein, die Sitten lockerten sich und der Streit zwischen denen, die am alten Glauben festhalten wollten, und den „Revolutionären“ führte zu Brandstiftung und Schlägereien.
Zu Weihnachten fehlte die festliche Stimmung, bei Beerdigungen der Trost, nach einer Geburt der Segen in der Taufe.
Der Unfrieden kam auch in Kargs Familie. Die Tochter wird schwanger. Die Söhne streiten sich und schließlich wird der eine durch den anderen tödlich verletzt. Niemand ist da, der den Sterbenden tröstet. Die Mutter landet in der Irrenanstalt und die Tochter geht in der Stadt unter. Der andere Sohn erhängt sich.
„ Es war stieg die Zahl derer, die … allsonntäglich [in die Stadt] zur Kirche fuhren … aber auch die Bosheit macht der Fortschritte. Vergehen und Verbrechen häuften sich, die Unsittlichkeit stieg auf eine, vorher kaum für möglich gehalten Höhe. … doch der Siegeszug des Evangeliums war nicht mehr aufzuhalten. Die „Jesuspartei“ … wuchs und wuchs … und erlangte bei den nächsten Wahlen die Mehrheit …
Nicht allzu lange danach stand in dem führenden religiösen Blatt eine Anzeige laut der … die Pfarrstelle wieder besetzen wollte; Bewerbungen waren an den Gemeindevorsteher Joachim Reichow zu richten.“[16]
selbst lesen: Johannes Hein, Das Dorf ohne Gott. Eine Geschichte, wie wir sie erleben werden, 1925. [findet sich auch hier.]
Anmerkung
Über den Autor Johannes Hein ist kaum etwas bekannt. Das 16-seitige Heft unter dem Titel „Das Dorf ohne Gott“ ist in „Ernst Röttger’s Verlagsbuchhandlung“ erschienen, die seit 1914 Teil der „Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt“ Berlin war, was wiederum ein Unternehmen der Berliner Stadtmission war. Neben erbaulichen Schriften kommt das „Vaterländische“ vor allen in Schriften im 1. Weltkrieg zum Tragen wie bespielsweise: „Deutsche Frauen – deutsche Treue. Ein Ruf an die Frauen und ein Dank zur Front“ oder „Heldentrost. Den Tapferen im Feld und den Helden daheim“.
Danke, lieber Peter, das ist ein interessanter Tipp. Danke auch, dass ich auf den Text zurück greifen kann. Ich schaue mir den Text gerne in Ruhe an.