Ein Bischof in Blüthen?

Ein Zwischenbericht von der Suche nach einem Grab

Der Lübecker Bischof Balthasar von Rantzau hat „Neun tag krank gelegen und [ist] daruff balde In gott verstorben, Er hete aberzuvor stets einen priester bey sich gehabt, dem er gebichtett und von Ime das hochwirtige Sacrament Inn zweyer gestalde empfangen, … und were fein sitig Inn stille verstorben, und der pfaffen were Immer bey Ihme plieben und hette Ihne getröstet“.

Wo er gestorben und beerdigt wurde, ist aber gegenwärtig unbekannt. Dass das Grab in der Kirche zu Blüthen zu finden ist, ist dabei durchaus möglich. Aber warum wurde der Lübecker Bischof nicht in Lübeck beerdigt? Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick auf das Leben des Bischofs und die damalige Weltgeschichte:


Balthasar von Rantzau

Balthasar von Rantzau wurde um 1497 geboren. Er entstammte der holsteinischen Adelsfamilie Rantzau. Er war Sohn des Amtmanns Hans Rantzau (1452 – 1522) auf Gut Neuhaus und Schmoel im heutigen Kreis Plön und der Margarethe Brockdorff (1477 – 1547). Sein ältester Bruder war Melchior (um 1496 – 1539), der wichtigste Staatsmann für Außen- und Finanzpolitik in den Herzogtümern Schleswig und Holstein. Auch fünf weitere seiner Brüder hatten wichtige Positionen in der Regierung der Herzogtümer inne: Henrik (1501 – 1561) und Sievert (+ 1576) waren herzogliche Räte und Amtmänner, Jasper (+ 1562) königlicher Rat und Amtmann, Breide (1506 – 1562) königlicher Statthalter der Herzogtümer und Otto (+ 1585) Propst von Kloster Uetersen. Zusammen verfügte die Familie über reichen Landbesitz in Holstein.

Die Stammhäuser der Familie Rantzau Gut Neuhaus und Gut Schmoel

Als vermutlich zweiter Sohn war er für das geistliche Amt bestimmt. Balthasar von Rantzau schon als Jugendlicher die niederen Weihen. Bereits 1511 präsentierte ihn Herzog Friedrich dem Domkapitel in Schleswig als Dompropst. Er hielt sich aber nie dort auf, sondern begann 1514 zusammen mit Melchior ein Studium an der Universität Rostock. 1521 erhielt er eine Präbende (Pfründe in Form einer Geldleistung) in Lübeck, später auch in Ratzeburg, ohne sich dort zu niederzulassen, wie es die Regeln eigentlich vorschrieben.

1536 wurde er nach dem Tod von Detlev von Reventlow (um 1485 – 1536), des ersten evangelischen Bischofs von Lübeck, zu dessen Nachfolger gewählt. Zwar hatte sich das Domkapitel geweigert, König Christians III. Forderung, den Bischof bestimmen zu dürfen, nachzukommen, die Wahl geschah jedoch vermutlich dem König zu Gefallen, denn das Verhältnis zwischen Lübeck und Dänemark war nach der Grafenfehde nicht das beste. 

Diese Fehde sollte jedoch für das Leben von Balthasar von Rantzau Ausgangspunkt seines Schicksals in den letzten Lebensjahren werden.


Die Grafenfehde

Friedrich I., König von Dänemark, starb am 10. April 1533. Nach seinem Tod brach Streit um seine Nachfolge aus. Die Stadt Lübeck nutzte die Gelegenheit und fiel im Frühjahr 1534 in das dänische Holstein ein. In dieser Situation wurde Christian am 10. August 1534 zum dänische König Christian III. (1503 – 1559) ernannt. Im November 1534 konnte er den Krieg in Holstein siegreich beenden. Im Juli 1535 kapitulierte Lübeck, zwei Monate später Kopenhagen.

Morten von Waldenfels, Herr zu Gorlosen in Mecklenburg, hatte dem König seine Dienste angeboten. Er hatte ihm, so behauptet er später, einen Trupp Reiter zur Verfügung gestellt. Darüber wurde jedoch offensichtlich nur eine mündliche Vereinbarung getroffen. Außerdem soll Breide Rantzau wenig später rund 630 Reiter von dem Gorlosener Ritter erbeten haben.

Allerdings ist es so, dass nur Morten Waldenfels die Behauptung aufstellt, er habe Reiter gestellt. Glaubhafter wird seine Behauptung auch nicht dadurch, dass er erst knapp zehn Jahre später seine Forderungen auf eine Bezahlung seiner vermeintlichen Leistung an den König richtete.

Der war jedenfalls von der Forderung überrascht und gab den Fall an Johann Rantzau (1492 – 1565), bis 1545 Statthalter in Holstein, ab. Dieser bat Morten von Waldenfels seine Forderungen schriftlich einzureichen. Der forderte 1.400 Gulden, das entsprach etwa 28 Jahreseinkommen eines Handwerkers. 

Daraufhin ordnete der König zunächst an, dass ein Schiedsrichter die Sache entscheiden sollte, wies dann aber kurze Zeit später das Ansinnen gänzlich zurück. Als Begründung nannte er, dass Morten von Waldenfels nie die behaupteten Reiter gestellt habe. Dabei schließt er nicht aus, dass Waldenfels „geselligerweise (oder als Besuchender) im Lager vor Lübeck gewesen sey und einen Scharmützel beygewohnt habe“. Für eine solche Vergnügungsreise könne er aber keine Forderung erheben, schon gar nicht zehn Jahre später.

Vielleicht hatte der König auch erfahren, dass Morten von Waldenfels in finanziellen Schwierigkeiten steckte und auch an anderer Stelle vergeblich versucht hatte, seine Reiter zu verkaufen. Auf jeden Fall hatte er erhebliche Schulden, weil er offensichtlich eher eine Krieger als ein guter Wirtschafter war. Er lebte vor allem davon, Fürsten, die Soldaten brauchten, diese zu stellen und dann von der entsprechenden Bezahlung und einem Anteil an der Beute.


Ewiger Landfrieden

Es war aber keine gute Zeit für solcherart Geschäfte. Denn 1495 hatte der römisch-deutsche König Maximilian I. (1459 – 1519) den „Ewigen Landfrieden“ verkündet, der die blutrünstigen Fehden des Mittelalters beenden und die Rechte des einfachen Volks stärken sollte. Mit der Gründung eines Reichskammergerichts wurde zugleich die Gewaltenteilung des modernen Rechtsstaates vorweggenommen.

Bis dahin war das 15. Jahrhundert eine ganz brutale und harte Zeit. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war ein halb Europa umfassender Flickenteppich aus Fürstentümern, Städten, freien Herren und Rittern. Diese sogenannten Reichsstände herrschten über ihre oft sehr kleinen Territorien nach jeweiligem Landesbrauch und rieben sich mit Hingabe in Kleinkriegen und Fehden auf. 

Vor allem für das einfache Volk war die Rechtlosigkeit eine ständige Bedrohung. Leute von Stand griffen bei Rechtsbrüchen zur Fehde. Fehde ist eine rechtlich kanalisierte Form der Rache. Auf eine Verletzungshandlung der einen Partei folgt eine Gegenverletzungshandlung der anderen Partei und meistens ist diese etwas heftiger, als die vorangegangene, so dass eine Gewaltspirale entstand.

So konnte die Beleidigung eines Ritters zur Verwüstung ganzer Landstriche führen. Die Unhaltbarkeit dieser chaotischen Zustände wurde allseits beklagt. Ernsthafte Abhilfe kam aber erst am Ende des 15. Jahrhunderts in Sicht, als die innere Schwäche des Reichs außenpolitische Folgen zeitigte: Kriegsgefahr drohte vom Südostrand, wo die Osmanen 1453 Konstantinopel eingenommen hatten. 

Maximilian I., der kurz vor seiner Krönung zum Kaiser stand, lud die Reichsstädte, die Fürsten und die freien Herren zu einer Versammlung nach Worms, dem Reichstag. Das Ergebnis war der „Ewige Landfrieden“. Das Gesetz, das für alle Zeiten gelten sollte, ordnete an, dass „niemand, von welchen Würden, Standes oder Wesens er sei, den andern befehden, bekriegen, berauben, fangen, belagern soll“. Ewiger Landfrieden bedeutete: absolutes Fehdeverbot im gesamten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.


Das Kidnapping

Morten von Waldenfels war offensichtlich noch nicht in der Zeit des Ewigen Landfriedens angekommen. Er versuchte seiner Forderung durch Gewalt Nachdruck zu verleihen. So heißt es in einer Geschichte Mecklenburgs:

„Ueber den Land-Frieden, der so oft in den Reichs-Versamlungen war beherzigt worden, hielten unsre Landes-Fürsten mit allem Ernst; wiewohl einigen unter dem Adel das alte Faust-Recht weit besser gefiel, die auch noch davon Proben machten. Also erzehlet Reimar Koch, der zu dieser Zeit sein Lübecksches Chronicon geschrieben: daß zu Gorlosen, einem von Alters her übel berüchtigten Raub-Schlosse an der Elde, bey Eldena, einer gewohnet, welche den damahligen Bischof zu Lübeck, Balthasar von Rantzow, auf Neuhaus in Holstein … gefangen genommen.“

Da der König nun alle Forderung endgültig abgelehnt hatte, griff Morten von Waldenfels zu einem durch den Landfrieden nicht mehr praktikablen Mittel. Er schickte dem dänischen König am 10. August 1545 einen förmlichen Fehdebrief zu. Mit Datum von 10. August 1545 schrieb er: „Ich will hiermit mit allen, die zu mir gehören, Euer Majestät öffentlich angekündigter Feind sein und ihn und alle seine Verwandten überfallen und beleidigen, wie es ein Feind mit dem anderen tut. Dabei ist Raub, Brand und Mord nicht ausgeschlossen.“

Das war kühn. Ein kleiner Edelmann erklärt dem König von Dänemark und Norwegen den Krieg.

Aber Waldenfels ging auch gleich ans Werk. Er bildete eine Bande von 70 Mann mit dem Plan, den Holsteinischen Edelmann Diederich Blome zu entführen. Blome gehörte zu einem angesehenen und vermögenden Adelsgeschlecht, zwischen den Familien Blome und Rantzau gab es durch Eheschließung auch familiäre Beziehung. Der Plan des Kidnapping scheiterte aber an der Tatsache, dass die Bande ihr Entführungsopfer nicht fand.

Sie wollten schon aufgeben, als sie erfuhren, dass der Lübecker Bischof Balthasar von Rantzau auf seinem Gut Kaltenhof (heute Bad Schwartau) weilte. Kurzerhand disponierte die Waldenfels-Bande um und entführte Balthasar nebst seinem Pagen. Ab diesem Zeitpunkt bleibt ungewiss, wo der Entführte gefangen gehalten wird. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass Kidnapper nicht den Aufenhaltsort ihres Opfers bekannt geben, möglicherweise auch falsche Fährten legen. 

Bekannt ist jedoch, wie die Story weitergeht. 

Zunächst gab es in Holstein großes Aufsehen, auch der König war entsetzt. Umgehend sollte der Gefangene befreit werden, aber – siehe oben – niemand wusste, wo er war. Nachfragen bei den Fürsten von Brandenburg bis Sachsen, von Ratzeburg bis Havelberg erbrachten keine Erkenntnisse. Auch der Kaiser wurde eingeschaltet, aber dessen Order vom 6. Oktober 1545 an Morten von Waldenfels, Balthasar von Rantzau freizulassen, hatte auch keinen Erfolg.

Der Chronist stellt lapidar fest: „Indeß blieben die Kaiserlichen Befehle und Pönal-Mandate noch ohne Erfolg, weil Waldenfels den Bischof zu gut zu verstecken wußte, und ihn in Gegenden führen ließ, wo man ihn nicht vermuthete.“

Allerdings bereitete es dem finanziell klammen Kidnapper zunehmend Probleme, die Kosten für sein Unternehmen und die Versorgung des Gefangenen aufzubringen. Er bat daher zwei Familienangehörige, sich als Unterhändler mit dem König zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug versprach er ihnen je ein Drittel des Lösegeldes. Entsprechend setzte er seine Forderung auf 20.000 Gulden hoch, etwa ein Drittel der jährlichen Staatsausgaben von Dänemark. 

Nun begannen zähe Verhandlungen. Die Verhandlungen, ein längerer Briefwechsel, der auch Briefe des Entführten aus den ersten Monaten der Gefangenschaft beinhaltet, ist erhalten, zogen sich auf höchster Ebene unter Einschaltung des Heiligen Römischen Reiches hin. 

Gleichzeitig wurden Morten von Waldenfels und seine Gehilfen des Landfriedensbruchs angeklagt und als Räuber im ganzen Reich verfolgt. Da jedoch nur der ungefähre Aufenthaltsort des Entführten und des Entführers bekannt war, wurden Vermittler eingesetzt, die mit den Fürsten von Mecklenburg und Brandenburg verhandeln sollten. Sogar Balthasars alte Mutter reiste 1546 nach Mecklenburg, in der Hoffnung, den Sohn zu befreien.

So ging ein Jahr ins Land, ohne dass es nennenswerte Fortschritte in der Angelegenheit gab. 

Hier und da meinte man den Aufenthaltsort des Bischofs zu kennen. Mal wurde er in Altenhausen nordwestlich von Magdeburg, mal in Langenstein im Harzvorland vermutet. Dann wieder soll er in die Lausitz gebracht worden sein, dann auf Schloss Rammelburg im Mansfelder Land und schließlich nach Eisleben. Das soll zur der Zeit gewesen sein, als sich auch Martin Luther dort aufhielt, die am 18. Februar 1546 in Eisleben starb. Dann soll er wieder in die Lausitz auf das Schloss Wartenfels gebracht worden sein.

Die vielfältigen Verhandlungen im Jahr 1546 bringen auch keine Veränderung, außer dass die Forderung von Morten von Waldenfels jetzt von 20.000 Gulden auf 20.000 Gulden plus Unterhalt des Bischofs stieg; dafür setzt er 100 Gulden pro Woche an.

Kurfürst Joachim von Brandenburg ließ mehrere Adlige vorladen, die beschuldigt wurden, an der Entführung beteiligt zu sein. Darunter waren die Brüder Jacob und Georg von Bredow und Albrecht von Quitzow, damals Herr zu Stavenow.

Aber auch diese Bemühungen führten nicht dazu, dass der Bischof frei kam. Bischof Balthasar, zunehmend gesundheitlich angeschlagen, wurde von einer Burg zur anderen verschleppt. Schließlich nahm Breide von Rantzau, des Bischofs Bruder, die Sache selbst in die Hand und durchsuchte im Frühjahr 1547 mit einer Schar Reiter das Gut Carau in der Nähe von Sandau, auf dem sich Zeugen zufolge Balthasar von Rantzau aufgehalten haben sollte. Eigentümer von Carau war Joachim von Beier. Breide fand jedoch seinen Bruder nicht.

Aber im nahegelegenen Sandau war jedoch gerade die Hochzeit zwischen Jacob von Bredow und Ingeborg von Schulenburg zugange. Jacob Bredow und der Bruder der Braut Jacob von Schulenburg galten als Mittäter im Fall Rantzau. Breide von Rantzau nutzte die Gelegenheit, überfiel die Hochzeitsgesellschaft und entführte seinerseits Joachim von Beier und einige weitere Adlige. Das führte zu heftigen Beschwerden der märkischen Adligen beim dänischen König, der schließlich die Freilassung der Gefangenen forderte, die aber erst Ende 1547 erfolgte.

Inzwischen war auch Kurfürst Joachim nicht untätig. Er lud Morten von Waldenfels, der jetzt für Moritz von Sachsen im Schmalkaldischen Krieg kämpfte, zum Verhör nach Berlin. Der bekam freies Geleit zugesichert, kam nach Berlin und behauptete im Verhör, nicht über den Gefangenen verfügen zu können. Erneut standen die Forderungen nach Freilassung des Bischofs und die Forderung nach dem Lösegeld unversöhnlich gegeneinander. Zudem drohte der Schmalkhaldische Krieg auch auf Brandenburg überzugreifen, so dass Joachim nicht mit letzter Konsequenz gegen Morten von Waldenfels vorgehen wollte.

Was inzwischen mit Balthasar von Rantzau geschehen war, ist ungewiss. Bekannt ist nur, dass Morten von Waldenfels weiterhin vor allem durch Briefe versuchte, seine Forderung durchzusetzen. Briefe von Balthasar von Rantzau gibt es aus dieser Zeit nicht mehr, so dass man vermuten kann, dass er bereits gestorben war. Auch Herzog August von Sachsen, der Bruder von Moritz, schrieb am 29. März 1548, dass er Informationen erhalten habe, dass Balthasar gestorben sei.

Als ein kaiserliches Mandat Morten von Waldenfels im Sommer 1547 die Reichsacht androhte, sollte er den Bischof nicht unverzüglich freigeben und der Fehde entsagen, erklärte sich der nur zu Verhandlungen bereit, wenn Dänemark die Klage gegen ihn fallen ließe, wozu Christian III. nicht bereit war. 

Inzwischen war der Schmalkhaldische Krieg mit dem Sieg der Evangelischen ausgegangen und Moritz von Sachsen setzte sich für seinen verdienten Krieger Morten von Waldenfels ein. Der Streit sollte von Schiedsrichtern entschieden werden, die Fehde und die Entführung sollten verziehen werden. Der dänische König stimmte zu … unter der Bedingung, dass Balthasar freigelassen würde. 

Als dies wieder nicht geschah, wurde Morten von Waldenfels am 15. Juli 1547 förmlich mit der Reichsacht belegt. Zugleich forderte der Kaiser, dass der Prozess gegen die Entführer von Kurfürst Joachim fortgeführt werden solle.

Da Morten jedoch unter Moritz von Sachsens persönlichem Schutz stand, eröffnete Kurfürst Joachim Ende 1548 den Prozess nur gegen die Bredows und zehn weitere Verdächtige. Zudem hatte Joachim wenig Interesse an einem Urteil gegen einen Teil seines Adels. Am 7. Dezember 1548 sollte das Urteil verkündet werden. Der Kurfürst war aber nicht in Berlin. Die Urteilsverkündung wurde verschoben, auch mit dem Hinweis darauf, dass mit den Angeklagten noch ein gütlicher Vergleich möglich sei. König Christian war darüber sehr verärgert. Der Chronist schreibt: „Indeß beschwerte der König sich in einem Schreiben an den Churfürsten von Brandenburg nicht wenig über den Verzug und die Verweigerung der Justiz, besonders da der Bischof von Lübeck darüber verstorben, oder wie der König sich ausdrückt: erbärmlich von Waldenfels ermordet worden sey.“

Der Churfürst antwortet im Februar 1549: „Und iß uns warlich der unfhal und tödliche abgangk unsers Freundes, des Bischofs von Lübeck, hochlichen leid“.

Spätestens jetzt war also allgemein bekannt, dass der Bischof tot ist. Aber unbekannt war, wo und wie er gestorben ist. Für Waldenfels hatte sich damit die Hoffnung auf das Lösegeld erledigt. Er protestierte schriftlich gegen den Vorwurf, Rantzau ermordet zu haben, wurde geächtet und seine Güter König Christian zugesprochen, was zu neuem Streit mit den Mecklenburger Herzögen führte. Waldenfels selbst blieb unbeschadet in sächsischen Diensten.

Schon nach Balthasars Entführung stritt das Domkapitel in Lübeck mit den Brüdern Rantzau um die Bischofsgüter, deren Herausgabe diese zunächst verweigerten. Erst nachdem sein Tod offiziell bestätigt wurde, lieferten sie die Stiftadministration heraus, behielten aber die Hälfte des Inventars und ziemlich viel Geld.


Wo wurde Balthasar von Rantzau beerdigt?

Eine Antwort aus den Quellen ist gegenwärtig nicht zu finden. Als Ort des Todes finden sich zwei unterschiedlich Angaben: Wartenfels in der Lausitz und Blüthen in der Prignitz.

Die Angabe „ Wartenfels in der Lausitz“ geht auf die Aussage des freigekommenen Pagen von Balthasar, Palm von Piverling, zurück, die der am 24. Februar 1552 machte. In einer Vernehmung vor dem Kurfürsten von Brandenburg und einem Gesandten des dänischen Königs sollte er aussagen, „weil der Bischof in werenden Gefenknus gestorben, und dennoch nit genzlich offenbart, wie solches allemhalben zugegangen, wo der Bischof vorhalten worden, und wo, auch wie er gestorben“.

Der Page gibt an: „Das Haus Wartenfels ere Ihnen aufgethan, heten Niements dann eine Jungkfrau darinnen gesehnen, und werden in eine warme stuben geführt und Ine genug offgetragen worden. Und hatte der Bischof diese gantze Reise von Eisleben an bis gehen Wartenfels geritten, und were der Bischof im Winter genn Wartenfels kommen und fast drey virtel Jars also gelegen, sey also gantz woll gewartet, und gespeiset, Ime alle nöthige auffrichtunge geschehen; Der Zeuge, als berührter Piverling, habe Ine auch alle morgn und abend aus und angezogen, er sey In guthen bethen (Bettnen) gelegen, haebe auch gute kleider, weiße Hembden und vorklet, und dazu an neuen hosen und wammes neu gehabt und machen laßen“

Alle Kosten habe Waldenfels getragen. „Es hette aber der Bischoff einen Schaden an einem Beine gehabt …, das Ime der schenkel rinnende worden“. Er wurde noch von einem „balwirer“ behandelt, jedoch „were hernach Nie froe worden, Sondern were uber etliche als zwooder drey Wochen krank geworden, und were allein Neun tag krank gelegen und daruff balde In gott verstorben, Er hete aberzuvor stets einen priester bey sich gehabt, dem er gebichtett und von Ime das hochwirtige Sacrament Inn zweyer gestalde empfangen, … und were fein sitig Inn stille verstorben, und der pfaffen were Immer bey Ihme plieben und hette Ihne getröstet, und so er, der Bischof, also verstorben, were er von der hausmagt also In ein schönn Sarch gelegt, und were des tags, do er des morgens gantz froer verstorben, am abente Im finstern in die pfarkirche alsdo zu Wartenfels getragen, und vor dem hochen altar begraben worden“.

Palm von Piverling will die Nachricht dann nach Wittenberg gebracht haben, wo Morten von Waldenfels an der Belagerung der Stadt teilnahm. Da diese Belagerung vom 5. bis 23. Mai 1547 geschah, könnte man vor hier aus auf das Todesdatum schließen.

Was an dieser Darstellung vor allem irritiert, ist, dass ein Ort „Wartenfels“ in der Lausitz nicht zu finden ist. Bekannt aber ist, dass das Adelsgeschlecht Waldenfels, auch Waldenfels zu Wartenfels und Lichtenberg genannt, ursprünglich aus Franken stammt. Dort gab es auch im 16. Jahrhundert eine Burg Wartenfels. Bekannt ist auch, dass ein Georg von Waldenfels (vor 1440 – 1491 oder 1492) aus dieser Familie stammte und Staatsmann in Brandenburg war und umfangreiche Besitztümer in der Lausitz hatte. Aber über ein Waldenfels oder Wartenfels benanntes Schloss ist nichts bekannt.

Das Grab des Balthasar von Rantzau in Blüthen zu suchen, geht auf die Lübecker Chronik des Reymarum Kock (1500 – 1569), Theologe und Lübecker Chronist, zurück. Er berichtet in seiner „daß zu Gorlosen …, einer gewohnet, welche den damahligen Bischof zu Lübeck, Balthasar von Rantzow, auf Neuhaus in Holstein, d. 28. Aug. [1545] gefangen genommen …[und dass] dieser Bischof bald darauf im Gefängnis zu Stavenow gestorben“ ist. 

Kock ist immerhin Zeitgenosse des Geschehens. Allerdings berichtet er wenig von dem gesamten Geschehen, eigentlich nur „entführt“ und „gestorben“ und die Folgen für Waldenfels. Hatte er auch wenig Kenntnis oder spielte für ihn das Geschehen in einer Lübecker Chronik keine Rolle? Es fällt auch auf, dass er das Kidnapping 30 Kilometer nach Norden, nach Neuhaus, verlegt.

1783 schreibt dann Johann Christian von Waldenfels: „Martin von Waldenfels … hatte König Christian III. von Dänemark mit 800 Mann eigener Leute im Kriege gedient und machte dafür an den König eine Forderung von 8000 Rthlr. Da er diese auf vieles Erinnern nicht erhalten konnte, nahm er dessen Rat Balthasar von Ranzow, der zugleich Bischof von Lübeck war, gefangen und führte ihn auf sein Schloß zu Gorlosen; er behielt ihn alldort fünf Jahre lang, allwo er auch im Jahr 1550 in Gefangenschaft gestorben und in der Kirche zu Blüthen begraben worden ist.“

Seine Angaben lassen sich nur schwer mit den anderen Quellen in Verbindung bringen. Die „800 Mann eigener Leute“ passt noch, aber die Forderung von 8.000 Reichstalern findet sich anderswo nicht. Zudem ist relativ sicher, dass Balthasar nicht die gesamte Zeit seiner Gefangenschaft in Gorlosen verbracht hat. Auch das späte Todesjahr 1550 ist wenig wahrscheinlich.

Wenn Balthasar nach Stavenow gebracht wurde, dann ist eher wahrscheinlich, dass dies Anfang 1546 (von Eisleben) oder bis Mitte 1547 geschah. Eine Beerdigung in Blüthen wäre dann möglich.

Der Historiker Wolfgang Prange stützt diese Vermutung: „Im April oder Mai 1547 starb R.[antzau] in der Gefangenschaft auf Schloß Stavenow. Er wurde in der Pfarrkirche zu Blüthen bei Perleberg beigesetzt. Er hatte das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen, sich also der Reformation angeschlossen.“ Ein ADAC-Reisebuch soll zudem noch wissen, dass er „frühmorgens“ gestorben ist und der Sarg am gleichen Tag vor dem Altar in Blüthen beerdigt“ wurde.

Auffällig sind hier die Übereinstimmungen mit der Vernehmung des Pagen Palm von Piverling. 

Wenn der sagt „Das Haus Wartenfels ere Ihnen aufgethan“, könnte damit gar nicht ein Ort sondern der Sitz der Familie Wartenfels, also Waldenfels zu Wartenfels, gemeint sein? Und könnte entsprechend die „pfarkirche … zu Wartenfels“ die Kirche in Blüthen gewesen sein? Wenn der Bischof in Stavenow gestorben ist, konnte er dort jedenfalls nicht beerdigt werden. Die Kirche in Stavenow wurde jedenfalls erst 1726 gebaut.

Wie dem auch sei, seine schöne Beschreibung haben wir: Der Bischof Balthasar von Rantzau hat „Neun tag krank gelegen und [ist] daruff balde In gott verstorben, Er hete aberzuvor stets einen priester bey sich gehabt, dem er gebichtett und von Ime das hochwirtige Sacrament Inn zweyer gestalde empfangen, … und were fein sitig Inn stille verstorben, und der pfaffen were Immer bey Ihme plieben und hette Ihne getröstet“.

In diesen Worten ist auch als Einziges zu erkennen, welche Einstellung Balthasar zur Reformation hatte. Wenn er das „das hochwirtige Sacrament Inn zweyer gestalde empfangen“ hat, kann davon ausgegangen werden, dass er sich als evangelisch verstand. Aber letztlich interessierte ihn am Bischofsamt wohl nur die Geldquelle. Die Priester- und Bischofsweihe, die eigentlich dafür notwendig gewesen wäre, verschob er immer wieder. Vermutlich hat sie gar nicht stattgefunden. Auch den Eid gegenüber den Domkapitel verweigerte er bis 1539. Und statt auf dem Bischofssitz in Eutin lebte er lieber auf dem Familiensitz Gut Neuhaus, den er gemeinsam mit seinem Bruder Sievert geerbt hatte.

Wo er aber gestorben ist und beerdigt wurde, können wohl nur die Archäologen herausfinden. Also: Lasst uns graben.


Auf Anmerkungen wurde in diesem Text verzichtet, sie können jedoch gerne erfragt werden. Als Literatur wurde vor allem benutzt:

Henrik Behrmann, Nachrichten über die Entführung des Bischofs von Lübeck Balthasar Ranzau’s durch Martin von Waldenfels im Jahre 1545 nebst deren weitern Folgen, 1834.

Poul Colding, En kidnappingaffæ i 16. århundrede, in: Historie/Jyske Samlinger, Bind Ny række, 9, 1970-1972, 4, 574–612.

David Franck, Des Alt- und Neuen Mecklenburgs Neuntes Buch von Mecklenburgs Reinigung in Landes- und Kirchenumständen …, 1755.

Karl Groß, Begräbnis eines Bischofs in der Kirche zu Blüthen, 1992 (maschinenschriftliches Manuskript]

Wihelm Mantels, Artikel „Balthasar“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 2, 1875.

Wolfgang Prange, Artikel Rantzau, in: Schleswig-holsteinisches biographisches Lexikon 4, 1976. 

Wolfgang Prange, Artikel Balthasar Rantzau, in: Erwin Gatz (Ed), Die Bischöfe des Heiligen Römisches Reichs 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, 2001.


2 thoughts on “Ein Bischof in Blüthen?”

  1. Vor der Steilküste, auf der niedrigen Wiese am Vejle Fjord, einige hundert Meter vom Meer entfernt, baute Karen Gyldenstjerne 1585 ihr Witwenhaus Rosenvold. Nach deren Tod wechselte das Anwesen mehrfach den Eigentümer, bis es 1660 in die Hände von Henrik Rantzau kam. Da stand das Haus bereits leer. Er 1817 setzte Christian Jens Rantzau das Gebäude instand und baute es um. Er war der erste der Familie Rantzau, der sich in Rosenvold niederließ. Zwischen 1865 und 1866 und zwischen 1927 und 1930 gab es weitere Umbauten. Heute lebt die Familie Rantzau noch immer in Rosenvold.

    Der heutige Besitzer, Carl Johan Ulrik Rantzau, ist der 17. in der Reihenfolge. In der Hoffnung, dass er vielleicht etwas über die Geschichte seines Vorfahrs Balthasar von Rantzau weiß, habe ich ihn angefragt:

    „Dear Mr Rantzau,

    I am sure you know the story of the Bishop of Lübeck, Balthasar von Rantzau [attachment]. He was kidnapped by Morten von Waldenfels in 1545. Between 1546 and 1548 he died in captivity.

    I am looking for his grave. Do you have any information on this? Are there any family archives of the Rantzau family with you or elsewhere?

    I would appreciate a short, helpful reply.

    Many greetings and a blessed Advent season, Peter Radziwill.“ [eMail vom 2.12.2021]

  2. Die Anfrage blieb leider ohne Erfolg:

    „Dear Mr. Peter Radziwill,

    … No, I did not know the history about the bishop of Lübeck, and thank you for an very interesting story! Unfortunately I cannot help you with the place where Balthasar von Rantzau was buried.
    As far as we know there are no special archives about the Rantzau family but certain persons may have a wide knowledge.

    Also many greetings and a merry Christmas from Denmark
    C. I. Rantzau“ [eMail vom 9.12.2021]

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